Investieren in Russland: Spezielle Investitionsverträge
Wie wir in unserem Beitrag über die Lokalisierung in Russland erwähnt haben, ist die russische Regierung im Laufe der letzten Jahre um die Verwirklichung eines strategischen Ziels bemüht, die Handelsproduktion anzukurbeln sowie die allgemeine Industrielage in Russland zu verbessern. Als eines der Instrumente für die Realisierung dieses Ziels gilt der so genannte Spezielle Investitionsvertrag (SIV), welcher in der Regierungsverordnung Nr. 708 vom 16.07.2015 „Über Spezielle Investitionsverträge für bestimmte Industriesektoren“ geregelt ist.
Mit der Einführung des SIV soll den ausländischen Investoren der erleichterte Zugang auf den russischen Markt eröffnet und gleichzeitig die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von wichtigen Wirtschaftsbereichen Russlands geschaffen werden. Durch die genannte Verordnung werden ausländischen Investoren mehrere Möglichkeiten für die Ausübung ihrer Wirtschaftsaktivitäten in Russland geboten sowie verschiedene Privilegien und Präferenzen in Aussicht gestellt.
Wie kommt ein SIV zustande?
Ein Spezieller Investitionsvertrag wird zwischen der Russischen Föderation, einem Subjekt der Russischen Föderation oder einer Kommune auf einer Seite und einem ausländischen Investor auf der anderen Seite abgeschlossen. Der primäre Zweck von Speziellen Investitionsverträgen ist die Entwicklung von bestimmten Branchen aufgrund der Tätigkeit des Investors. Insbesondere ist die Russische Föderation auf die Modernisierung oder den Neubau von Produktionsstätten in Bereichen der Metallindustrie, Umwelttechnologie, Logistik, Medizin, Chemieindustrie, IT sowie Optik und Radiotechnik fokussiert. Seitens der Russischen Föderation ist das Ministerium für Industrie und Handel für die Entwicklung von Speziellen Investitionsverträgen zuständig. Das Ministerium steht als zentraler Ansprechpartner in der Verhandlungsphase sowie bei der Durchführung des Investitionsprojekts zur Verfügung.
Wer kann von einem Speziellen Investitionsvertrag profitieren?
Ein Spezieller Investitionsvertrag kommt für alle Gruppen ausländischer Investoren in Betracht. Der Investor verpflichtet sich danach, die Investitionen im Umfang von mindestens 750 Millionen Rubel beizubringen und den im Rahmen des abgeschlossenen SIV gebilligten Businessplan einzuhalten. Ein SIV kann für die Dauer von bis maximal 10 Jahren abgeschlossen werden. Neben der Verwirklichung von Hauptzielen des Projekts obliegt es dem Inverstor, die allgemeine Entwicklung der lokalen Wirtschaftsstandorte zu unterstützen.
Was sind die Vorteile des Investors?
Als Gegenleistung bietet der Staat den Investoren ein breites Spektrum an Präferenzen an. In erster Linie gewährleistet der Staat die gleichbleibenden Rahmenbedingungen der Tätigkeit des Investors während der gesamten Geltungsdauer des SIV. So werden zum Beispiel günstige Steuersätze für den gesamten Zeitraum des SIV festgehalten. Der SIV ermöglicht es z.B., den föderalen Gewinnsteuersatz von 2% auf 0% sowie den regionalen Gewinnsteuersatz von 18% auf 0% zu reduzieren. Darüber hinaus sollen die nach dem Abschluss des SIV nachträglich eingeführten gesetzlichen Einschränkungen und Verbote keine Anwendung auf den Investor finden.
Gleichzeitig gewährleistet der Staat die beschleunigte Amortisierung für das Vermögen des Investors, welches für die Ausübung der Investitionstätigkeit eingesetzt wird. Diese Materie regelt die Regierungsverordnung Nr. 1 vom 01.01.2002 „Über die Klassifizierung des abnutzbaren Anlagevermögen, welches in den Amortisierungsgruppen erfasst wird“.
Ferner ist z.B. eine organisatorische Unterstützung von der russischen Stiftung für die Industrie in Form einer Expertenhilfe, einer kostenlosen Teilnahme an Konferenzen und thematischen Foren vorgesehen. Neben der organisatorischen Unterstützung bietet der Staat die Möglichkeit an, alle Formen der finanziellen Unterstützung (günstige Kreditlinien, staatliche Förderung der Investorenstätigkeit etc.) zu beantragen. Um die Kommunikation mit den Behörden sowie zwischen den Vertragsparteien zu erleichtern gewährleistet der Staat dem Investor das Prinzip „One-Stop-Shop“. Das heißt, dass für das gesamte Zusammenwirken mit dem Staat (z.B. Abgabe der Finanzberichte, Verlängerung des SIV, Beantragung von Steuervergünstigungen etc.) eine Behörde zuständig ist.
Zusätzliche Vorteile
Die Vorteile aufgrund eines SIV können durch diese einer Sonderwirtschaftszone ergänzt werden. Das heißt, dass verschiedene Investitionsförderungen kombiniert werden können.
Den zusätzlichen Vorteil können sich die Investoren durch den Status „alleiniger Anbieter“ verschaffen. Diesen Status kann jeder Investor beantragen, sofern das Investitionsvolumen drei Milliarden Rubel auf föderaler Ebene bzw. eine Milliarde Rubel auf regionaler Ebene übersteigt. Verfügt man über diesen Status, so sichert man sich den Platz des alleinigen Lieferanten bzw. alleinigen Herstellers bei staatlichen Ausschreibungen. Diese Konditionen bedeuten wiederum eine staatliche Garantie für die Abnahme der hergestellten Produkte ohne langwierige Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen (Konkurs, Preiswettbewerb etc.).
Label „Made in Russia“
Um seine Vorteile zu erweitern, kann der Investor für seine Produkte unter besonderen Voraussetzungen das Label „Made in Russia“ führen. Für den Investor sichert das „Made in Russia“ - Label nicht nur den freien Zugang zu dem gesamten Markt der Eurasischen Wirtschaftsunion, sondern auch eine wesentliche Senkung der Produktionskosten und Steuerlast.
Die Voraussetzungen für das Label „Made in Russia“ sind in der Regierungsverordnung Nr. 719 vom 17.07.2015 für mehrere Arten von Produkten ausführlich geregelt. Vor allem soll es sich um eine einzigartige Ware handeln, die nur von diesem Hersteller produziert wird und vielmehr keine Entsprechung bei in Russland hergestellten Waren findet.
Als weitere Erfordernisse für die Marke „Made in Russia“ gelten auch
- der Maximalanteil der ausländischen Rohstoffe, Einbauteile und Komponenten, welcher am Endprodukt enthalten ist; hierbei muss dieser Anteil sukzessive reduziert werden;
- die Durchführung möglichst vieler Herstellungsprozesse in Russland; hierbei muss der Anteil der „russischen“ Prozesse sukzessive erhöht werden;
- das Verfügen über die Rechte an der für die Herstellung, Modernisierung bzw. Entwicklung des jeweiligen Produkts erforderlichen technischen und baulichen Dokumentation;
- sowie das Vorhandensein auf dem Gebiet eines der Länder der EAWU eines Servicezentrums, welches Reparatur und Wartung des jeweiligen Produkts durchführen kann.
Wie gelangt man zu einem Speziellen Investitionsvertrag in Russland?
Um den Verhandlungsablauf zwischen den Parteien zu erleichtern, hat die Regierung ein Musterformular eines Speziellen Investitionsvertrags herausgegeben, das die allgemeinen Eckpunkte von möglichen Vertragsbedingungen festlegt und von den Parteien bezüglich einzelner Verpflichtungen mit Inhalt zu füllen ist. So sind die einzelnen Förderunen nicht im Musterformular aufgeführt, sondern sind seitens der Parteien individuell auszuhandeln.
Der Investor stellt einen Antrag mit allen benötigen Unterlagen (Businessplan, Investitionssumme, Zertifikaten etc.) beim Ministerium. Nach einer ersten Aus- und Bewertung der eingereichten Unterlagen werden diese an einen Prüfungsausschuss für Spezielle Investitionsverträge weitergeleitet und durch diesen Ausschuss der endgültigen Prüfung unterzogen. Der Beschluss des Ausschusses dem Investor mitgeteilt. Der Investor kann sich im Fall einer positiven Rückmeldung innerhalb von 10 Werktagen überlegen, ob er die ihm vorgeschlagenen Bedingungen des SIV akzeptiert oder ein Differenzprotokoll an die Behörden adressiert. Werden sich die Parteien über die Vertragsbedingungen einig, so wird das Musterformular des Speziellen Investitionsvertrags von beiden Seiten ausgefüllt, unterschrieben und ausgetauscht.
Einseitige Kündigung des SIV ist ausnahmsweise und nur gerichtlich möglich, was der Staat im Rahmen des SIV garantiert.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei Ihrer Investition in Russland.
Insbesondere stehen unsere Mitarbeiter bei folgenden Aufgabenfeldern zur Verfügung:
- Rechtsberatung bei den Investitionsvorhaben in Russland;
- Steuerliche Beratung nach russischem Recht;
- Risikomanagement und allgemeine Fragen der Investitionen;
- Gesellschaftsrechtliche Fragen, wie z.B. Unternehmensregistrierung, Umwandlung etc.;
- Russisches IT-Recht, Urheberrecht, Patentrecht sowie Know-how;
- Zollabwicklung und Organisation der Lieferung nach Russland.
Hermann Jakobi, LL.M.
Dr. Olga Kylina
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