Gesellschaftsrecht in Russland: Entscheidungen der Gesellschafterversammlung einer russischen OOO: Unwirksamkeitsgründe im Überblick. Teil I
Auch in Russland ist das Hauptorgan einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (OOO) ihre Gesellschafterversammlung. Die Gesellschafterversammlung trifft die wichtigsten Entscheidungen, darunter Statutenänderung, Bestimmung von Tätigkeitsfeldern der Gesellschaft, Errichtung der Exekutivorgane der GmbH, Gewinnverteilung, Erlass interner Regelungen, Liquidation der Gesellschaft usw.
Damit Sie einen Überblick über die Fälle gewinnen, in denen Entscheidungen einer Gesellschafterversammlung nach russischem Recht unwirksam sein können, haben wir einige davon mit Verweisen auf die aktuelle Rechtsprechung für Sie zusammengefasst.
Die Unwirksamkeit von Entscheidungen der Gesellschafterversammlung ist in Art. 181.3 – 181.5 des russischen Zivilgesetzbuches sowie im russischen Gesetz über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (russisch – OOO) Nr. 14-ФЗ vom 8. Februar 1998 geregelt.
Entscheidungen einer Gesellschafterversammlung können danach in zwei Fällen unwirksam sein:
- Entweder sind sie von vorn herein nichtig,
- oder ihre Unwirksamkeit kann durch ein Gericht im Wege der Anfechtung festgestellt werden.
Der Regelfall bei einer fehlerhaften Entscheidung der Gesellschafterversammlung ist nach russischem Recht ihre Anfechtbarkeit. Die Nichtigkeit muss sich ausdrücklich aus dem Gesetz ableiten lassen.
Anfechtbarkeit der Entscheidungen der Gesellschafterversammlung in Russland
Eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung, die mit Verstoß
(1) gegen Gesetz,
(2) Gesellschaftssatzung,
(3) interne Regeln der OOO oder
(4) Rechte und Interessen der Gesellschafter
zu Stande gekommen ist, kann angefochten werden.
Zu solchen Verstößen gehören gemäß Art. 181.4 Abs. 1 ZGB zum Beispiel die Fälle, in denen:
- Ein Verfahrensfehler bei der Vorbereitung, Einberufung oder Durchführung der Versammlung vorliegt und dadurch die Willenserklärung der Gesellschafter beeinflusst bzw. beeinträchtigt wurde;
- Die Person, die im Namen eines Gesellschafters agiert hat, dazu nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt wurde;
- Bei der Durchführung der Versammlung gegen den Gleichheitsgrundsatz in Bezug auf Rechte der Gesellschafter verstoßen wurde;
- Ein erheblicher Verstoß gegen die Regeln der Protokollführung vorliegt.
Wer kann eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung anfechten?
Dazu sind die Gesellschafter der OOO berechtigt, die an der Gesellschafterversammlung nicht teilgenommen oder teilgenommen, aber gegen die jeweilige anzufechtende Entscheidung gestimmt haben (Art. 43 Abs. 1 des russischen GmbH-Gesetzes).
Zu beachtende Besonderheiten
Außerdem ist in Bezug auf Unwirksamkeit der Gesellschafterversammlungsentscheidungen Folgendes zu beachten:
- Eine fehlerhafte Entscheidung kann bei einer späteren Versammlung bestätigt werden, indem die neue Entscheidung einen formalen Verweis auf die alte enthält. Somit wird die Wirksamkeit der ursprünglichen (mangelhaften) Entscheidung aufrechterhalten.
- Eine nichtige oder durch ein Gericht für unwirksam erklärte Entscheidung darf allerdings nicht durch eine spätere Entscheidung bestätigt werden.
- Eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung kann teilweise unwirksam sein, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung auch ohne den unwirksamen Teil so getroffen worden wäre.
- Der Gesellschafter, der sich einer Anfechtungsklage anderer Gesellschafter nicht angeschlossen hat, kann gegen die Entscheidung der Gesellschafterversammlung selbstständig gerichtlich vorgehen, allerdings unter der Bedingung, dass er über die vorherige Anfechtungsklage nicht benachrichtigt wurde.
Wir haben für Sie eine Liste mit Beispielen aus der Rechtsprechung der letzten Jahre erstellt, aus der ersichtlich ist, wann eine Entscheidung durch ein Gericht für unwirksam erklärt werden kann. Die Liste finden Sie hier.
Nichtigkeit der Entscheidungen der Gesellschafterversammlung in Russland
Laut Gesetz
Art. 181.5 ZGB nennt vier Fälle, in denen eine Gesellschafterversammlungsentscheidung nichtig ist:
- Die getroffene Entscheidung stand nicht auf der Tagesordnung, es sei denn, alle Gesellschafter waren bei der Versammlung anwesend;
- Die Gesellschafterversammlung war nicht beschlussfähig;
- Die von der Gesellschafterversammlung getroffene Entscheidung wird nicht von ihrer Zuständigkeit abgedeckt;
- Die Entscheidung ist nicht mit Wesenszügen der geltenden Gesetze oder mit guten Sitten zu vereinbaren.
Laut Rechtsprechung
Neben den in Art. 181.5 ZGB geregelten Fällen weist der russische Oberste Gerichtshof in einem seiner Plenarbeschlüsse mit Auslegungscharakter* auf weitere Nichtigkeitsgründe hin:
- So ist eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung ferner nichtig, wenn sie folgende Rechte der Gesellschafter einer GmbH einschränkt: (1) bei einer Gesellschafterversammlung anwesend zu sein, (2) an den Beratungen der Gesellschafterversammlung teilzunehmen oder (3) um bestimmte Fragen abzustimmen (Art. 32 Abs. 1 des russischen GmbH-Gesetzes).
- Weiterhin ist eine Entscheidung nichtig, wenn sie nicht notariell beglaubigt wurde, es sei denn, in der Firmensatzung oder in einer einstimmigen Entscheidung aller Gesellschafter ist diesbezüglich eine andere Vorgehensweise vorgesehen (Art. 67.1 Abs. 3 Nr. 3 ZGB).
* Plenarbeschluss des Obersten Gerichtshofs der Russischen Föderation Nr. 25 vom 23. Juni 2015 P. 107, zugänglich unter: http://www.consultant.ru/cons/cgi/online.cgi?req=doc&cacheid=CC1261DAEEF...
© Maria Mikhaylova, LL.M.
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