Vertragspraxis Russland: 5 Gründe für eine Vertragsprüfung bei Exporten nach Russland und in die Eurasische Wirtschaftsunion
Bei jedem vielversprechenden Geschäft möchte man sich in erster Linie auf eine schnellstmögliche Abwicklung konzentrieren. Man ist zudem positiv eingestellt und geht davon aus, dass eigentlich nichts unangenehm Überraschendes passieren kann. Folglich ist man häufig nicht gewillt, die Abwicklung durch eine präventive rechtliche Überprüfung zu verzögern und gar nicht, zusätzliche Kosten für eine Rechtsberatung anfallen zu lassen. Warum zahlt es sich jedoch im Endeffekt aus, Zeit und Geld in eine professionelle Vertragsprüfung zu investieren?
Heute möchten wir Ihnen 5 ausgewählten Gründe nennen, die beim Abschluss eines grenzüberschreitenden Vertrags von großer Relevanz sind, aber in der Erwartung eines erfolgreichen Geschäfts und nicht zuletzt auch mangels eines Vorverständnisses vernachlässigt werden. Sie ersparen sich Zeit, Kosten, unnötige Arbeit und womöglich auch die Ungültigkeit des Vertrags oder seiner einzelnen Klauseln, wenn Sie sich zumindest zu diesen Punkten im Vorfeld der Verhandlungen informieren.
Russisches Recht ist anders als deutsches Recht
Hat man keinen juristischen Background, dann denkt man auch nicht daran, dass ein Vertragswerk nach verschiedenen Rechtsordnungen – z.B. etwa nach deutschem, russischem, englischem, österreichischem, belgischem, japanischem Recht – gestaltet werden kann. Hierbei ist ein Vertrag nach deutschem Recht nicht gleich ein Vertrag nach russischem oder etwa nach ukrainischem Recht, weil es keine völlig identischen nationalen Rechtsordnungen auf der Welt gibt. Was passiert nun, wenn ein in Deutschland üblicher Vertrag genommen und lediglich mit einer zusätzlichen Klausel versehen wird, auf die Vertragsbeziehungen sei russisches Recht anwendbar? In so einem Fall riskieren die Parteien, dass einige Vertragsklauseln nach russischem Recht entweder komplett ungültig oder mit einem unerwartet anderen Inhalt gefühlt werden. Folglich kann die vertragliche Situation für die Parteien anders ausfallen, als erwartet.
Zwingendes Recht in Russland und seine Bedeutung
Jede Rechtsordnung hat nicht nur dispositive (d.h. durch die Parteien frei wählbare und bestimmbare), sondern auch zwingende Rechtsvorschriften. Zwingende Normen zeichnen sich dadurch aus, dass die Parteien auf deren Anwendung keinerlei Einfluss haben. Diese Normen können nicht abgewählt werden. Sie können auch nicht immer legal umgegangen werden. Im russischen Recht gibt es immer noch – als Erbe des ehemaligen sozialistischen Rechtsdenkens – recht viele zwingend anwendbare Rechtsvorschriften. Für Lieferungen nach Russland sind etwa zwingende Normen im russischen Zollrecht, Wettbewerbsrecht oder Devisenrecht relevant. Da der deutsche Rechtsraum im Grunde anders ist und den Vertragsparteien wesentlich mehr Freiheiten gewährt, wird mit diesen besonderen Vorschriften nicht gerechnet. Als unangenehme Folgen können Ungültigkeit von Vertragsklauseln, zusätzliche Kosten und erschwerte Rechtsvorgänge auftreten.
Auswirkungen von Lieferbestimmungen
Man handelt bestimmte Lieferbedingungen aus und ist dabei auf ein wirtschaftliches Interesse beider Parteien fokussiert. Hierbei werden weitere relevante Aspekte übersehen. Z.B. wird der Lieferort, mangels einer vertraglichen Gerichtsstandsklausel, zu einem Gerichtsstand führen, mit dem man nicht gerechnet hat. Bestimmte Lieferbedingungen umfassen zudem die komplette Zollabfertigung und Entrichtung von Zollgebühren (so die Lieferung nach DDP/"geliefert verzollt"). Und zwar muss die Ware sowohl für die Ausfuhr, als auch für die Einfuhr freigemacht werden. Möchte man diesen bedeutenden Aufwand vermeiden, muss man sich mit den vorgeschlagenen Lieferbedingungen gesondert auseinandersetzen und versuchen, eine für sich günstigere Variante auszuhandeln. Nicht minder wichtig ist es, die Verteilung der Steuerlast bei konkreten Lieferbedingungen zu überprüfen und eventuell neu auszuhandeln. In erster Linie ist es aber wichtig zu wissen, zu welchen zusätzlichen Verpflichtungen und Kosten eine oder andere Lieferbasis führt, damit man keine Ausgaben hat, die im Vorfeld nicht einkalkuliert waren.
Zertifikate und Zulassungen
Ein weiteres Thema sind Zertifikate und Zulassungen, die seitens des Lieferanten beigebracht werden müssen. Entweder vergisst man diese bei den Vertragsverhandlungen oder enthält das Vertragswerk Verweise auf Zertifikate und Zulassungen, die vom Gesetzgeber nicht vorgeschrieben sind. Da für Zertifizierungen und Zulassungen Kosten in einem mittleren fünfstelligen Bereich entstehen können, empfehlen wir unseren Kunden, die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen an ihre Erzeugnisse überprüfen zu lassen. Damit können die ggfls. zusätzlichen Kosten mitberücksichtigt oder gesondert abgerechnet werden.
Vereinbarung des Gerichtsstands
Sehr wichtig, weil im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr mit mehreren nicht evidenten Rahmenbedingungen verbunden (anwendbares Recht, Beweisregeln, Prozesskosten, Verfahrensdauer, anwaltliche Vertretung, Vollstreckungsaussichten), und häufig auch von strategischer Bedeutung ist die durchdachte Vereinbarung eines Gerichtsstands für den Fall des Vertragsbruchs. Da jedoch dieser Aspekt nicht mit der eigentlichen Vertragsabwicklung verbunden ist und man beim Vertragsabschluss nicht an eventuelle Streitigkeiten denken möchte, wird das Thema der Streitaustragung, wenn überhaupt, nur halbherzig behandelt. Insbesondere im deutsch-russischen Wirtschaftsverkehr ist der Ort der Streitaustragung aber von noch größerer Bedeutung, weil die Urteilsanerkennung zwischen beiden Ländern nicht gesichert ist. Nähere Ausführungen zur Problematik einer Gerichtswahl finden Sie hier.
Dr. Olga Kylina
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Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag lediglich Informationszwecken dient und keine Rechtsberatung darstellt. In jedem Einzelfall ist eine sorgfältige Überprüfung des Sachverhalts notwendig.
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