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Gesellschaftsrecht Russland: Großgeschäfte und Geschäfte mit Interessiertheit – mehrere Aspekte neu gefasst im Plenarbeschluss des Obersten Gerichtshofs Russlands Nr. 27 vom 26. Juni 2018

Ordnungsgemäße Durchführung bzw. Anfechtung von Großgeschäften und Geschäften mit Interessiertheit ist eines der wichtigsten Kapitel im russischen Gesellschaftsrecht. Entsprechend der Bedeutung dieser Materie hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung immer wieder mit ihr ausführlich auseinandergesetzt und somit Weichen für die geordnete Rechtsanwendung gestellt. Wir informierten bereits über die neuen Erläuterungen des Obersten Gerichtshofs Russlands und möchten mit diesem Beitrag das Thema vertiefen.

Der hier zu behandelnde Plenarbeschluss des Obersten Gerichtshofs Russlands Nr. 27 vom 26. Juni 2018 „Über die Anfechtung von Großgeschäften und Geschäften, an denen eine Interessiertheit besteht“ hat seinen Vorgänger – den Plenarbeschluss des Obersten Wirtschaftsgerichts Russland Nr. 28 vom 16. Mai 2014 „Über einige Fragen im Zusammenhang mit Anfechtung von Großgeschäften und Geschäften mit Interessiertheit“ – grundsätzlich aufgehoben. Der alte Plenarbeschluss gilt nur noch für die Anfechtung von Rechtsgeschäften, welche vor dem 1. Januar 2017 abgeschlossen wurden. Dies ist bei der aktuellen Rechtsanwendung zu berücksichtigen.

Im Folgenden führen wir einige wichtige Erläuterungen des neuen Beschlusses auf:

Was gilt im russischen Gesellschaftsrecht als Großgeschäft?

Der Oberste Gerichtshof hat Kriterien für die Qualifikation von Großgeschäften festgelegt. Ein Rechtsgeschäft gilt dann als Großgeschäft, wenn bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses zwei Merkmale vorliegen:

Wertkriterium

Sind zum Gegenstand des Rechtsgeschäfts Vermögenswerte mit dem Preis bzw. Buchwert von mindestens 25 Prozent des Buchwerts der Aktiva zum letzten Berichtsdatum geworden, handelt es sich nach dem Verständnis des russischen Gesetzes um ein Großgeschäft. Dabei werden bei Berechnung des Geschäftswertes keine Forderungen berücksichtigt, die im Zusammenhang mit der Nichterfüllung oder mit der nicht ordnungsgemäßen Erfüllung von Verpflichtungen geltend gemacht werden können (z.B. Verzugszinsen).
Der Buchwert der Aktiva berechnet sich auf Grundlage des Jahresabschlusses der Gesellschaft zum 31. Januar des Jahres, das dem Rechtsgeschäft vorangeht. Ist die Gesellschaft zur Erstellung von Zwischenabschlüssen verpflichtet, wird der Buchwert aufgrund des letzten Zwischenabschlusses (z.B. Monatsabschlusses) vor Abschluss des Rechtsgeschäfts ermittelt.

Bei Rechtsgeschäften mit andauernden Zahlungspflichten (z.B. Miet-, Dienstleistungs-, Versicherungsvertrag usw.) sind die Zahlungen für die gesamte Vertragslaufzeit oder im Falle von unbefristeten Verträgen für 1 Jahr ausschlaggebend. Wird die Gesamtsumme der Zahlungen innerhalb der genannten Zeiträume die Grenze von 25% übersteigen, handelt es sich um ein Großgeschäft.

Qualitatives Kriterium

Zusätzlich zum vorgegebenen Prozentsatz des Buchwerts muss das betroffene Rechtsgeschäft über die übliche Geschäftstätigkeit hinausgehen, sodass dessen Abschluss offensichtlich entweder zur Einstellung der Firmentätigkeit oder zur Änderung der Art der Geschäftstätigkeit oder zur wesentlichen Änderung ihres Umfangs führt. Diese Folgen kann insbesondere der Verkauf oder die Vermietung von Sachanlagen oder eine wesentliche Änderung des Tätigkeitsortes bzw. der Vertriebsmärkte hervorrufen.

Vermutung der üblichen Geschäftstätigkeit bei Großgeschäften

Grundsätzlich geht das Gericht von einem Abschluss des Rechtsgeschäfts im Rahmen der üblichen Geschäftstätigkeit aus. Somit hat der OG RF die Vermutung der üblichen Geschäftstätigkeit aufgestellt. Das Gegenteil ist vom Kläger zu beweisen. Zuvor musste der Beklagte beweisen, dass das angefochtene Rechtsgeschäft der üblichen Geschäftstätigkeit zuzurechnen ist. Dieses grundsätzlich geänderte Verständnis dient der Rechtssicherheit und Stabilität im Rechtsverkehr, schmälert aber die Schutzposition von Gläubigern.

Keine Pflicht des Geschäftspartners zur Vorprüfung

Der OG RF stellt klar: Der Geschäftspartner ist nicht verpflichtet, sich im Vorfeld des Vertragsabschlusses zu erkundigen, ob es sich um ein Großgeschäft des Kontrahenten handelt und ob für dieses Geschäft die erforderliche Genehmigung eingeholt wurde. Es kann also davon abgesehen werden, die Listen von verbundenen, kontrollierenden oder kontrollierten Personen und Gesellschaftsunterlagen neuer Geschäftspartner im Vorfeld des Rechtsgeschäfts zu prüfen. Grundsätzlich können die Geschäftspartner sich auf die Befugnisse der in das russische Firmenbuch (Einheitliche Staatliche Register Juristischer Personen) als vertretungsberechtigt eingetragenen Personen verlassen.

Abstimmung beim Abschluss von Geschäften mit Interessiertheit

Ein Rechtsgeschäft wird als Geschäft mit Interessiertheit eingestuft, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses ein gewisses Eigeninteresse der Beteiligten nachgewiesen wird.

Geschäft mit Interessiertheit ist laut Art. 45 des russischen GmbH-Gesetzes gegeben, wenn

eine der nachstehend genannten Personen ein Eigeninteresse am Abschluss des Geschäfts hat:

  • Mitglied des Direktorenrates (Aufsichtsrates) der Gesellschaft,
  • Allein vertretungsberechtigtes Verwaltungsorgan,
  • Mitglied des kollegialen Verwaltungsorgans der Gesellschaft oder einer Person, bei welcher die Gesellschaft unter Kontrolle steht,
  • Eine der Gesellschaft gegenüber weisungsberechtigte Person.

Die genannten Personen gelten als interessiert am Abschluss des Geschäfts der Gesellschaft, wenn sie, aber auch deren Ehegatten, Eltern, Kinder, Geschwister bzw. Personen unter deren Kontrolle:

  • Partei des Rechtsgeschäfts, Begünstigter, Vermittler bzw. Vertreter im Rahmen des Rechtsgeschäfts sind,
  • Juristische Person kontrollieren, welche als Partei, Begünstigter, Vermittler bzw. Vertreter im Rahmen des betroffenen Rechtsgeschäfts auftritt,
  • Ämter in Verwaltungsorganen der juristischen Person bekleiden, welche als Partei, Begünstigter, Vermittler bzw. Vertreter des betroffenen Rechtsgeschäfts auftritt sowie Ämter in der Verwaltung dieser juristischen Person bekleiden.

Ist ein Eigeninteresse gegeben, so kann für das betroffene Geschäft eine Genehmigung des Aufsichtsrats bzw. der Gesellschafterversammlung eingeholt werden, Art. 45 P. 4 Abs. 2 des russischen GmbH-Gesetzes.

Der OG RF stellt fest, dass nun nicht nur interessierte Gesellschafter (Aktionäre) von der direkten Beschlussfassung über die Genehmigung des Geschäfts durch die Generalversammlung ausgeschlossen sind. Vielmehr sind auch Gesellschafter ausgeschlossen, die zwar juristische Personen sind, welche kein Eigeninteresse aufweisen, aber mittelbar unter der Kontrolle interessierter Privatpersonen stehen (kontrollierte Organisationen).

Vermutung der Redlichkeit des Geschäftspartners bei Geschäften mit Interessiertheit

Für Geschäfte mit Interessiertheit stellt der OG RF die Vermutung der Redlichkeit des Geschäftspartners auf. Der Kläger muss daher auch hier beweisen, dass der Geschäftspartner vom Eigeninteresse agierender Personen bzw. vom Fehlen der Genehmigung wusste oder hätte wissen müssen.

Somit entfällt für Beteiligte am Geschäftsverkehr Verpflichtung, die Listen von verbundenen, kontrollierenden oder kontrollierten Personen und Gesellschaftsunterlagen neuer Geschäftspartner im Vorfeld des Rechtsgeschäfts zu prüfen. Grundsätzlich können sie sich auch hier auf die Befugnisse der in das russische Firmenbuch (Einheitliche Staatliche Register Juristischer Personen) als vertretungsberechtigt eingetragenen Personen verlassen.

Genehmigung des Rechtsgeschäfts ist kein Hindernis für die Anfechtung

Wurde für das streitige Rechtsgeschäft im gesetzlich festgelegten Verfahren eine Genehmigung eingeholt, ist es kein Hindernis für die Anfechtung und auch kein Hindernis für die Erklärung des angefochtenen Geschäfts für unwirksam. Allerdings hat der Kläger beim Vorliegen einer Genehmigung zu beweisen, dass das betroffene Rechtsgeschäft den Interessen der Gesellschaft geschadet hat.

Imperatives Recht im Hinblick auf Großgeschäfte

Der Oberste Gerichtshof betont den imperativen Charakter der Rechtsnormen über Großgeschäfte. Dies bedeutet, dass der Abschluss von Großgeschäften in der Satzung nicht abweichend geregelt werden kann. Auch das Erfordernis der Genehmigung kann in der Satzung nicht ausgeschlossen werden. Anders steht es um Geschäfte mit Interessiertheit, deren Abschluss aufgrund dispositiver Rechte in der Satzung frei geregelt werden kann.

Rechtsgeschäft weist Merkmale von beiden Geschäftsarten auf

Ist das Rechtsgeschäft zugleich Großgeschäft und Geschäft mit Interessiertheit, so sind hier Regelungen und Anforderungen bezüglich beider Geschäftsarten einzuhalten. Befreit allerdings in einem konkreten Fall die Satzung der Gesellschaft von der Genehmigung bei Geschäften mit Interessiertheit (dispositives Recht), sind nur die Regeln bezüglich des Großgeschäfts einschlägig.

Verjährungsfrist bei der Anfechtung

Die Verjährungsfrist bei der Anfechtung von Großgeschäften und Geschäften mit Interessiertheit wird nach Maßgabe des Art. 181 P. 2 des russischen Zivilgesetzbuchs berechnet und beträgt 1 Jahr.

Grundsätzlich beginnt die Verjährungsfrist für Forderungen des Gesellschafters bzw. Mitglieds des Aufsichtsrates ab dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Direktor über Verletzung der Gesetzesvorschriften erfuhr bzw. hätte erfahren müssen. Hat der Direktor gegen Treu und Glauben gehandelt und hat er schädliche Absprachen mit der Gegenpartei geschlossen, so beginnt die Verjährungsfrist ab dem Moment, in dem der Kläger über die Verletzungen erfuhr oder hätte erfahren müssen.

Der Beschluss befasst sich ferner detailliert mit dem Moment der Kenntnisnahme für die Fälle der Anfechtung durch Gesellschafter.

© Dr. Olga Kylina

Haben Sie Fragen bezüglich der Großgeschäfte und Geschäfte mit Interessiertheit, wenden Sie sich an uns. Ihre Anfragen richten Sie an uns bitte per E-Mail: info@lex-temperi.de.

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