Aus der Rechtsprechung des OG RF: Unter welchen Bedingungen gilt eine ausländische Gesellschaft als Mutter einer russischen Tochtergesellschaft und wie wirkt sich dieses Verhältnis auf eine mögliche Durchgriffshaftung aus
Beschluss des OG RF Nr. 305-ЭС18-12143 vom 18. Dezember 2018 erläutert einige Aspekte bei der Anwendung des Art. 67.3 P. 2 und 1 des russischen ZGB hinsichtlich der gesamtschuldnerischen Haftung der Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft bei Rechtsgeschäften der letzteren, welche auf Anweisung bzw. mit Genehmigung der Mutter abgeschlossen wurden (Fälle der sog. Durchgriffshaftung).
Diese Ausführungen sind von allen deutschen Gesellschaften zu beachten, welche über ihre Tochtergesellschaften in Russland arbeiten.
Der Oberste Gerichtshof stellte folgende Punkte klar:
- Art. 67.3 P. 1 des ZGB RF enthält ein offenes Katalog von Merkmalen, nach welchen zwischen betroffenen Gesellschaften das Mutter – Tochter – Verhältnis ermittelt wird. Es handelt sich hierbei zum einen um zwei rein formelle Kriterien, zum anderen um die über die formelle Beherrschung hinausgehenden faktischen Verbindungen. Formelle Kriterien sind hier (1) die überwiegende Beteiligung einer Gesellschaft am Stammkapital der anderen und (2) das Vorliegen eines entsprechenden Vertrags zwischen den Gesellschaften. Als ergänzendes Wertungskriterium zur Ermittlung der faktischen Verbindungen wird jede andere Einflussposition einer Gesellschaft hinsichtlich der Entscheidungen der anderen Gesellschaft aufgefasst.
- Die faktische Einflussnahme bei der Beschlussfassung steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem Umfang der Beteiligung bzw. mit vertraglichen Vereinbarungen zwischen den betroffenen Gesellschaften. Diese Einflussposition kann z.B. durch die gesellschaftsrechtliche Struktur (Konzernstruktur), durch die konzerninternen Regeln beim Abschluss von Rechtsgeschäften, durch das Ausmaß, in dem andere Gesellschafter bzw. andere Konzernunternehmen sich an der verwaltenden Tätigkeit der Tochtergesellschaft beteiligen.
- Liegt keine formelle Beherrschung durch die Beteiligung am Stammkapital von über 50% vor, so muss die Gesamtheit aller Besonderheiten der Verwaltungs- und Beteiligungssituation ausgewertet werden.
- Die genannten Merkmale für die Feststellung des Mutter-Tochter-Verhältnisses sind unter anderem auch dann einschlägig, wenn es sich um gesamtschuldnerische (Durchgriffs)Haftung der Muttergesellschaft handelt.
- Beweislage: Erhebt ein Gläubiger eine Durchgriffshaftungsklage gegenüber der Muttergesellschaft, so gehören die schädlichen Anweisungen der Muttergesellschaft bzw. deren Genehmigung in das streitige Rechtsgeschäft zu den zu beweisenden Tatsachen. Äußert der Kläger ernsthafte Argumente zum Vorliegen der faktischen Kontrolle und Beherrschung und legt er hierzu schwerwiegende indirekte Beweise vor, aus deren Gesamtheit man auf die Plausibilität seiner Argumente schließen kann, obliegt es dem Beklagten das Gegenteil zu beweisen.
© Dr. Olga Kylina
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