Währungsrecht: Gewinnrepatriierung bei internationalen Verträgen von russischen Währungsansässigen
Die Vorsitzende der Zentralbank Russlands Elvira Nabiullina bezeichnete die aktuelle Regelung der Gewinnrepatriierung in Russland als veraltet. Allerdings wird momentan das gesamte System der Kontrolle über die internationalen Geschäfte auf diesem Rechtsinstitut aufgebaut, sodass seine bloße Abschaffung das ganze System zunichtemachen würde. Die Zentralbank geht deswegen vorsichtig mit den Änderungsvorschlägen um, erkennt aber die Notwendigkeit solcher an.
Ist Gewinnrepatriierung auch für deutsche Unternehmen ein Thema?
Die Anforderung der Gewinnrepatriierung ist durchaus auch für deutsche Firmen zu beachten, falls sie vorhaben, eine Tochtergesellschaft in Russland zu eröffnen, bzw. eine solche bereits haben; denn eine in Russland gegründete Gesellschaft besitzt die russische Währungsansässigkeit. Filialen ausländischer Firmen betrifft diese Regelung nicht.
Folgende Erläuterungen verschaffen ein allgemeines Bild über die Gewinnrepatriierung in Russland.
Was versteht man nun unter Gewinnrepatriierung?
Die Gewinnrepatriierung stellt im Grunde genommen die Rückführung ins Inland der ursprünglich aus Russland stammenden Gelder dar. Die Anforderung der Gewinnrepatriierung ist im russischen Währungsrecht festgelegt und soll dazu dienen, den Geldabfluss ins Ausland zu verhindern [1]. Der russische Gesetzgeber hat diese Anforderung im Föderalen Gesetz „Über die Währungsregelung und Währungskontrolle“ (dessen Art. 19 f.) vorgesehen, ohne allerdings den Begriff der Gewinnrepatriierung legal zu definieren [2].
Wann wird die Repatriierungsanforderung relevant?
Russischen Währungsansässigen, welche an der Außenwirtschaft teilnehmen, ist die Pflicht auferlegt, die Zahlung der Gelder aus einer grenzüberschreitenden Transaktion auf ein bei einer russischen Bank geführtes Konto zu gewährleisten. Diese Regelung gilt in folgenden Fällen:
- für Entgelte für ins Ausland verkaufte Waren, ausgeführte Arbeit oder erbrachte Dienstleistungen, übermittelte Informationen und Werke der geistigen Tätigkeit (geistiges Eigentum),
oder - für die dem ausländischen Vertragspartner ohne russische Währungsansässigkeit gezahlten Gelder, falls dieser Partner seine vertragliche Pflicht, Waren zu liefern, eine Arbeit zu leisten oder eine Dienstleistung zu erbringen, nicht erfüllt hat; hier handelt es sich um eine Rücküberweisung der Gelder.
Mit anderen Worten enthält die russische Repatriierungsanforderung zwei Elemente – die Pflicht, den direkten Devisenerlös auf ein russisches Konto überweisen zu lassen, und die Pflicht, die ins Ausland geleisteten Zahlungen für nicht erbrachte Gegenleistungen auf ein russisches Bankkonto zurück zu führen.
Umtauschpflicht in russische Währung abgeschafft?
Bis zum Jahr 2007 sah das russische Gesetz „Über die Währungsregelung und Währungskontrolle“ für russische Ausfuhrhändler die Pflicht vor, den Devisenerlös ganz oder zum Teil in die heimische Währung umzutauschen. Die russischen Händler mussten also die von ihrem Kontrahenten ohne russische Währungsansässigkeit in ausländischer Währung (bspw. in US-Dollar oder Euro) zu zahlenden Beträge in Rubel wechseln.
Nach der Streichung dieser Vorschrift aus dem Gesetz galt die Pflicht durch die Erläuterungen der russischen Zentralbank [3] formell fort, der Prozentsatz des Devisenerlöses, der in die heimische Währung umzutauschen wäre, wurde allerdings auf 0% heruntergesetzt.
Aktuell sehen weder das Gesetz, noch die normartigen Akten der Zentralbank [4] eine solche Pflicht vor. Deswegen kann der ins Inland zu überweisende Gewinn auch in fremder Währung bleiben, solange und soweit die restlichen Bedingungen der Repatriierungsklausel erfüllt sind.
Wann ist der Gewinntransfer nach Russland nicht erforderlich?
Art. 19 P. 2 des Gesetzes „Über die Währungsregelung und Währungskontrolle“ legt die Fälle fest, in denen russische Händler die aus einem internationalen Geschäft erzielten Gewinne nicht zurück nach Russland beschaffen müssen:
- Wenn die Geldmittel auf ein ausländisches Bankkonto zur Tilgung eines Kredits oder Darlehens bei einem Unternehmen ohne russische Währungsansässigkeit überwiesen wurden;
- Wenn der Auftraggeber ohne russische Währungsansässigkeit Zahlungen an den russischen Deviseninländer tätigt, damit dieser die Errichtung der Bauobjekte im Ausland finanzieren kann. Allerdings müssen nach dem Bauabschluss alle restlichen Summen vom Konto im Ausland auf ein russisches Konto überwiesen werden;
- Wenn der Devisenerlös dadurch erzielt war, dass der/die russische Währungsansässige eine Ausstellung, ein Sportevent oder eine Kulturveranstaltung organisierte. Die Gelder müssen auch weiterhin für die Durchführung solcher Veranstaltungen bestimmt sein;
- Bei der im Ausland durchzuführenden Aufrechnung von Gegenforderungen zwischen einem russischen Währungsansässigen in der Fischereibranche und seinem Agenten ohne russische Währungsansässigkeit. Das Gleiche gilt für die Aufrechnung von Gegenforderungen zwischen russischen Transportunternehmen und ihren Kontrahenten ohne Währungsansässigkeit in Russland;
- Bei der Aufrechnung zwischen Versicherungsfirmen aus Versicherungs- und Rückversicherungsverträgen;
- Wenn die Geldmittel auf die Bankkonten russischer Transportunternehmen im Ausland zum Zweck der Bezahlung von Dienstleistungen, Steuern, Gebühren und anderen Ausgaben, die für ihre Tätigkeit im Ausland notwendig sind, überwiesen wurden;
- Bei der Aufrechnung von Gegenforderungen zwischen Parteien eines Exportvertrags betreffend Erdgas.
Sämtliche Fälle des Verbleibs des „russischen“ Geldes im Ausland, die nicht in dieser abschließenden Liste aufgeführt sind, werden von den russischen Steuer- und Zollbehörden als Verstoß gegen die Gewinnrepatriierungsanforderung qualifiziert [5].
Kann man die Repatriierungspflicht durch Abtretung umgehen?
Verpflichtete Personen können ihre Forderungen und somit auch Pflichten im Währungsrecht abtreten. In diesem Fall hat der entsprechende Zessionar mit russischer Währungsansässigkeit die Voraussetzungen der Repatriierungsanforderung zu erfüllen [6].
Haftung beim Verstoß gegen die Anforderung der Gewinnrepatriierung
Art. 15.25 des russischen Ordnungswidrigkeitengesetzbuches (OwiGB) [7] beinhaltet die Haftung für Verstöße gegen die Regeln und Fristen der Gewinnrepatriierung.
So kann unter anderem bei der Nichteinhaltung der für die Gewinnrepatriierung vorgesehenen Fristen ein Bußgeld in Höhe von 1/150 des Refinanzierungssatzes zu dem zu überweisenden Betrag für jeden Verzugstag und/oder eine Ordnungsstrafe in Höhe von 75% bis 100% des auf ein russisches Konto zu überweisenden Betrages (Art. 15.25 P. 4 OwiGB) verhängt werden.
Eine wichtige Haftungsvoraussetzung nach dem OwiGB ist Verschulden der betroffenen Person.
Wann gilt das Verschulden als gegeben?
Nach Auffassung des Gesetzes hat das zur Gewinnrepatriierung verpflichtete Unternehmen die fehlende Rückführung zu vertreten, wenn dieses seine Pflicht nicht erfüllt, obwohl es dazu eine reale Möglichkeit gibt. Das Unternehmen hat ferner das Geschehen zu vertreten, wenn es nicht alles Mögliche und Nötige zur Beschaffung des Geldes ins Inland unternimmt [8].
In den Fällen, wenn der nicht zurückgeführte Betrag höher als 9 Mio. RUB ist, kann die Person, die diese Pflichtverletzung zu vertreten hat, gemäß Art. 193 des russischen Strafgesetzbuches bestraft werden [9], wogegen sich das russische Unternehmertum währt.
Wie sichern Sie sich ab?
Um den Vorwürfen wegen des Verstoßes der Gewinnrepatriierungsanforderung vorbeugen zu können, wird es den grenzüberschreitend tätigen Unternehmen mit russischer Währungsansässigkeit zur Absicherung Folgendes empfohlen:
- vertragliche Sanktionen für einen Zahlungsverzug vorzusehen. Dies würde auf vernünftige Sorgfalt hinweisen [10].
- unverzüglich nach der Pflichtverletzung des Vertragspartners (Ausbleiben der vertraglich vorgesehenen Zahlung) eine Mahnung an ihn zu schicken. Im Zusammenhang mit anderen Vorkehrungen würde es als Beweis für Nichtvertretenmüssen gelten [11].
- leistet der Vertragspartner trotz der Abmahnung nicht, ist der Anspruch gerichtlich geltend zu machen [12].
Zusätzliche Garantien können russische Währungsansässige dadurch erzielen, dass sie ihre Risiken für den Fall, wenn ihre Kontrahenten ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht einlösen, bei der Russischen Agentur zur Versicherung von Exportkrediten und Investitionen (ЭКСАР) versichern lassen. So gilt die Anforderung der Gewinnrepatriierung mit dem Erhalt des entsprechenden Versicherungsbetrags als erfüllt.
Falls ein anderer Staat durch seine Einschränkungs- und Sanktionsmaßnahmen die Gewinnrepatriierung für russische Währungsansässige unmöglich macht, kann dieser Umstand durch eine entsprechende Bescheinigung bestätigt werden. Diese Bescheinigung wird von der Industrie- und Handelskammer Russlands erteilt [13].
Neue Regelung der Gewinnrepatriierung in der nächsten Zukunft?
Das russische Finanzministerium bereitete einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Art. 19 des Föderalen Gesetzes „Über die Währungsregelung und Währungskontrolle“ vor.
Das Projekt sollte Haftung für russische international tätige Unternehmer etwas mindern und darüber hinaus die Möglichkeit einführen, die damit einhergehenden Risiken nicht nur bei der Russischen Agentur zur Versicherung von Exportkrediten und Investitionen, sondern auch bei jeder regulären Versicherungsfirma versichern lassen zu können. Der Gesetzesentwurf wurde bei der russischen Regierung zur weiteren Ausarbeitung eingereicht, sein Text ist allerdings noch nicht veröffentlicht.
Momentan wurde die Arbeit an dem Gesetzesentwurf nach Beratungen bei der Regierung der Russischen Föderation eingestellt.
Das Problem wird darin gesehen, dass solche Änderungen die Kontrollmechanismen schwächen würden. Die Zentralbank Russlands ist der Meinung, dass die Abschaffung oder auch lediglich die Liberalisierung der Gewinnrepatriierungsvorschriften wohl möglich und notwendig sein mögen, aber nicht vor der Etablierung anderer, nicht weniger wirksamer Kontrollmittel. Russische Regierung unterstützt diese Einstellung.
Der Ausarbeiter des Gesetzentwurfs, das Finanzministerium, bleibt optimistisch und bezeichnet diese abneigende Einstellung als nur vorübergehend.
Wie sich die Lage weiter entwickelt, wird erst mit der Zeit klar. Nähere Informationen zum Vorgang der Besprechungen vor der Russischen Regierung sind unter http://regulation.gov.ru/p/78574 abrufbar.
[1] http://nalog-nalog.ru/valyutnye_operacii/repatriaciya_rezidentami_inostr...
[2] Föderales Gesetz der Russischen Föderation vom 10. Dezember 2003 № 173-ФЗ „Über die Währungsregelung und Währungskontrolle“
[3] Erläuterungen der Zentralbank der Russischen Föderation vom 30. März 2004 № 111-И
[4] Erläuterungen der Zentralbank der Russischen Föderation vom 16. August 2017 № 181-И
[5] Übersicht der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Russischen Föderation vom 25. November 2015 № 3 (2015). Frage 5. Zugänglich unter: http://vsrf.ru/Show_pdf.php?Id=10512
[6] S. dazu z.B.: Entscheidung des Wirtschaftsgerichts der Stadt Ufa vom 1. September 2009 in der Sache Az. А07-15804/2009
[7] Ordnungswidrigkeitengesetzbuch der Russischen Föderation vom 20. Dezember 2001
[8] S. dazu z.B.: Beschluss des Föderalen Wirtschaftsgerichts des Bezirks Ural vom 27. April 2010 in der Sache Az. А47-6629/2009
[9] Strafgesetzbuch der Russischen Föderation vom 12. Juni 1996 № 63-ФЗ
[10] S. dazu z.B.: Beschluss des Präsidiums des Obersten Wirtschaftsgerichts der Russischen Föderation vom 28.04.2009 № 15714/08
[11] S. dazu z.B.: Beschluss des Obersten Gerichtshofes der Russischen Föderation vom 19. Mai 2015 № 309-АД15-4149
[12] https://rusjurist.ru/valyutnoe_regulirovanie/repatriaciya_valyutnoj_vyru...
[13] S. dazu: Erläuterungen des Finanzministeriums der Russischen Föderation vom 12. August 2015 № 07-05-08/46382
© Maria Mikhaylova
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