Vertragsrecht, russisches IPR: Wird in Russland vertragliche Rechtswahl anerkannt?
Sie möchten im Vertrag mit Ihrem russischen Partner das Recht der Bundesrepublik Deutschland als anwendbares Recht vereinbaren. Sie sind aber unsicher, ob und in welchem Umfang diese Rechtswahl wirksam ist. Die Gültigkeit der Rechtswahl müssen Sie in Ihrem konkreten Fall sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht beurteilen. Denn es handelt sich um die Gültigkeit aus der Perspektive von beiden Rechtsordnungen, weil beide die Situation der Rechtswahl für sich selbst eigenständig regeln. Nachstehend beschränken wir uns lediglich auf die Vorschriften des russischen Rechts.
Zulässigkeit einer Rechtswahl nach russischem Recht
Ob die Unterstellung des Vertrags einem ausländischen Recht in Russland anerkannt wird, wird in den meisten Fällen erst relevant, wenn der betroffene Vertrag russischen Gerichten vorgelegt wird. Denn die Beurteilung der Rechtswahl erfolgt bei der Einschaltung eines russischen Gerichts nach russischem Recht. Dies ergibt sich aus Art. 1186 P. 1 des russischen Zivilgesetzbuches (fortan ZGB RF), welcher die Anwendbarkeit der lex fori (Rechtsordnung des urteilenden Gerichts) anordnet.
Das russische IPR lässt eine Rechtswahl in Art. 1210 P. 1 ZGB RF ausdrücklich zu. Das bedeutet, dass russische Gerichte - sollten sie einmal eingeschaltet werden - den Sachverhalt nach dem vereinbarten Recht (hier nach deutschem Recht) behandeln werden.
Die im Vertrag getroffene Rechtswahl zugunsten des Rechts der Bundesrepublik Deutschland sollte direkt und eindeutig ausgedrückt sein, um den Aufnahmebedingungen nach Art. 1210 P. 2 ZGB RF und der geübten Praxis zu entsprechen.
Umfang der Rechtswahl
Die Rechtswahl deckt nach Art. 1215 P. 1 ZGB RF ab:
- Auslegung des Vertrags;
- Vertragliche Rechte und Pflichten der Parteien;
- Vertragserfüllung;
- Folgen der Nichterfüllung oder einer nicht gehörigen Erfüllung;
- Beendigung des Vertrags;
- Folgen der Ungültigkeit des Vertrags.
Form des Rechtsgeschäfts, Verjährungsregeln, Gründe und Bedingungen der Anwendung von Zinsen auf geldwerte Verpflichtungen richten sich nach dem Recht des Vertragsverhältnisses, was sich jeweils Art. 1209, Art. 1208, Art. 1218 ZGB RF ergibt. Das Recht des Vertragsverhältnisses muss in jedem Einzelfall gesondert ermittelt werden.
Grenzen der Rechtswahl
Die Rechtswahl wird durch die Anwendung des zwingenden nationalen Rechts durchbrochen. Dies ergibt sich aus Art. 1192 ZGB RF über die Normen der unmittelbaren Anwendung i.V.m. Art. 1210 P. 5 ZGB RF, welcher aus dem Geltungsbereich der Rechtswahl nationale zwingende Normen herausnimmt.
Diese allgemeine Norm zum Vorrang des nationalen zwingenden Rechts wird in Art. 1222 P. 3 ZGB RF insofern ergänzt, als eine Rechtswahl in Bezug auf die Verpflichtungen ausgeschlossen wird, welche als Folge des unlauteren Wettbewerbs oder der Einschränkung der Konkurrenz entstehen. In beiden Fällen gilt das Recht des betroffenen Marktes. Wird etwa der Vertrieb auf die russischen Märkte fokussiert, wird in dieser Hinsicht russisches Recht zur Anwendung gelangen. Diese Beschränkung bildet allerdings insofern keinen neuen Inhalt, als die kartellrechtlichen Bestimmungen ohnehin als zwingendes Recht eingestuft und vorrangig angewendet werden.
© Dr. Olga Kylina
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