Kauf der Stammanteile einer russischen GmbH: Notarielle Beurkundung notwendig!
Sie sind ein deutsches Unternehmen oder deutscher Staatsbürger und möchten Geschäftsanteile bei einer russischen GmbH (OOO) kaufen. Noch vor dem Vertragsabschluss müssen Sie berücksichtigen, dass dieser Kaufvorgang notariell beurkundet werden muss. Und wir empfehlen nachdrücklich, die Beurkundung bei einem russischen Notar durchführen zu lassen. Warum? Das erklären wir nachstehend.
Woraus ergibt sich, dass der Kauf der Beteiligung an einer russischen OOO notariell zu beurkunden ist?
Nach Art. 21 P. 11 Abs. 1 des russischen GmbH-Gesetzes* bedürfen Rechtsgeschäfte, die auf die Veräußerung eines Stammanteils der GmbH an Dritte (d.h. keine Mitgesellschafter) gerichtet sind, notarieller Beurkundung. Fraglich ist allerdings, ob diese Vorschrift auch auf grenzüberschreitende Anteilskäufe Anwendung findet. Es können ja entweder Käufer oder Verkäufer oder gar beide Parteien ausländisch sein.
Die allumfassende Bedeutung der genannten Vorschrift des russischen GmbH-Gesetzes und deren Anwendung auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr werden aus den Formvorschriften des russischen IPR abgeleitet. Denn notarielle Beurkundung gilt nach russischem Recht als Form eines Rechtsgeschäfts.
Maßgeblich ist hier Wortlaut des Art. 1209 P. 3 ZGB RF, auf dessen Grundlage das auf die Form anwendbare Recht ermittelt wird. Art. 1209 P. 3 ZGB RF besagt: „Wird für ein Rechtsgeschäft bzw. für Entstehung, Übergang, Einschränkung oder Erlöschen der Rechte aus diesem Rechtsgeschäft die staatliche Registrierung verlangt, unterliegt die Form eines solchen Rechtsgeschäfts dem russischen Recht“. Nach dieser Vorschrift wird zunächst bestimmt, ob das Rechtsgeschäft an sich bzw. Übergang der Rechte aus diesem Rechtsgeschäft staatlich registriert werden müssen. Ist eine Registrierung notwendig, wird die Form des betroffenen Rechtsgeschäfts nach russischem Recht bestimmt.
Übergang der Rechte am gekauften Stammanteil einer OOO (russische GmbH) ist in das Einheitliche staatliche Register juristischer Personen (EGRUL) einzutragen, so Art. 21 P. 14 Abs. 1 des russischen GmbH-Gesetzes. Folglich bestimmt sich die Form des zum Rechteübergang geführten Rechtsgeschäfts nach russischem Recht. An dieser Stelle ist wieder Art. 21 P. 11 Abs. 1 des russischen GmbH-Gesetzes relevant, welcher notarielle Beurkundung verlangt.
Auf das gleiche Ergebnis laufen ferner die Überlegungen im Schrifttum hinaus, die Vorschrift des Art. 21 P. 11 Abs. 1 des russischen GmbH-Gesetzes stelle zwingendes Recht dar (siehe z.B. Kokorin, Alexej, in Jurist 14/2012, zugänglich in der Datenbank ConsultantPlus). Als zwingendes Recht gelangt diese Norm stets vorrangig zur Anwendung. Die Vorzugswürdigkeit einer der beiden Argumentationslinien kann insofern dahingestellt bleiben, als beide zum gleichen Ergebnis führen: Der Vertrag über den Kauf von Geschäftsanteilen einer russischen GmbH bedarf auch im grenzüberschreitenden Verkehr notarieller Beurkundung.
Kann ich den Kauf bei einem ausländischen Notar beurkunden lassen oder muss ich zum russischen Notar gehen?
Das russische GmbH-Gesetz verbietet es nicht, den Kauf der Geschäftsanteile einer russischen GmbH im Ausland beurkunden zu lassen. Theoretisch ist es also möglich, den Vertrag bei einem deutschen Notar zu beurkunden. Allerdings kommen Sie damit kaum weiter! Denn der Übergang der Rechte auf den neuen Inhaber der Geschäftsanteile muss ja im EGRUL eingetragen werden. Und den entsprechenden Antrag auf Eintragung der Änderungen kann nur der beurkundende Notar einreichen, welcher zusätzlich auch das für die Einreichung notwendige Formular Nr. Р 14001 beglaubigen muss (dazu Art. 21 P. 14 des russischen GmbH-Gesetzes).
Auch wenn Sie nach Beurkundung durch einen ausländischen Notar einen russischen Notar mit der Registrierung der Änderungen betrauen wollen werden, wird der russische Notar diese Handlung höchstwahrscheinlich ablehnen, weil eben nicht er den Vertrag beurkundet hat.
Theoretisch könnte auch ein ausländischer Notar die Eintragung der Änderungen im EGRUL beantragen. Das Gesetz verbietet das nicht. Hierzu müssen jedoch alle Unterlagen mit Apostille versehen und durch den vereidigten Übersetzer ins Russische übersetzt werden. Und das wäre noch das kleinere Übel verglichen mit der weiteren Gesetzesanforderung, den Änderungsantrag auf elektronischem Wege und versehen mit einer verstärkten qualifizierten elektronischen Unterschrift (eine Art der Online-Ausweisfunktion) des Notars einzureichen. Diese Anforderung des Art. 21 P. 14 Abs. 3 des russischen GmbH-Gesetzes wird in der Praxis nur ein russischer Notar erfüllen können. Folglich hat beim Kauf der Beteiligung an einer russischen OOO nur die Mitwirkung eines russischen Notars Sinn.
* Das Föderale Gesetz Nr. 14-ФЗ vom 08.02.1998 "Über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung", in der Fassung vom 23.04.2018 / Федеральный закон от 08.02.1998 N 14-ФЗ (ред. от 23.04.2018) "Об обществах с ограниченной ответственностью"
© Dr. Olga Kylina
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