GESELLSCHAFTSRECHT RUSSLANDS ANWENDUNG: Zusammenfassung der Rechtsprechung vergangener Jahre. Teil I
Zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung erließ der Oberste Gerichtshof Russlands am 25. Dezember 2019 eine Zusammenfassung von einzelnen Fragen aus dem Gesellschaftsrecht, die durch Gerichte unterer Instanzen unterschiedlich entschieden wurden. Die Zusammenfassung gilt als eine für untere Instanzen wegweisende Rechtsprechungsanalyse und dient somit der Vereinheitlichung der Rechtsanwendung.
Unter anderem sind in der Zusammenfassung folgende Fragen aufgeführt:
1. Welches Gericht ist für Streitigkeiten aus einem Darlehensvertrag zwischen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (russ. – OOO) und einem Gesellschafter dieser OOO zuständig – ordentliches oder Wirtschaftsgericht?
Wenn der Darlehensvertrag keine Bestimmungen
- zur Ausübung der Rechte von Gesellschaftern,
- zur Verwaltung/Geschäftsführung der Gesellschaft,
- zur Veräußerung von Stammkapitalanteilen
enthält, ist der Rechtsweg zu ordentlichen Gerichten geboten.
2. Notarielle Beglaubigung von Entscheidungen einer Gesellschafterversammlung
Will die Gesellschaft auf das Erfordernis einer notariellen Beglaubigung von Entscheidungen ihrer Gesellschafterversammlung verzichten und diese durch eine alternative Form ersetzen, muss diese Verzichtsentscheidung noch notariell beglaubigt werden.
Auch Entscheidungen einer Gesellschafterversammlung bestehend aus einer Person bedürfen der notariellen Beglaubigung.
3. Veräußerung von Anteilen am Stammkapital einer OOO
Beschließt die Gesellschafterversammlung, ein Großgeschäft im Namen der Gesellschaft abzuschließen oder das Stammkapital zu erhöhen, so dürfen die Gesellschafter, die dagegen gestimmt haben oder bei der Versammlung nicht anwesend waren, von der OOO verlangen, ihren Anteil am Stammkapital zu erwerben.
Solche Gesellschafter sind vor dieser Anforderung nicht verpflichtet, OOO ein Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrags zu unterbreiten oder einen Antrag auf die Ausscheidung aus der OOO zu stellen.
Dies schließt jedoch nicht aus, dass die Parteien – OOO und der betroffene Gesellschafter – anstelle der durch die OOO zu erfüllenden Anforderung des Gesellschafters einen Kaufvertrag abschließen.
4. Unwirksamkeit der Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung bzw. Hauptversammlung der Aktionäre
Wird ein Gesellschafter bzw. ein Aktionär über die Durchführung einer Gesellschafterversammlung bzw. einer Hauptversammlung der Aktionäre nicht ordnungsgemäß benachrichtigt (dazu geladen) oder liegt eine sonstige erhebliche Verletzung seiner Rechte vor, so ist die in der Versammlung gefallene Entscheidung für unwirksam zu erklären.
Es gilt selbst dann, wenn die Stimme des betroffenen Gesellschafters bzw. Aktionärs keinen Einfluss auf die Entscheidung gehabt hätte.
5. Erfolglose Anfechtung eines Rechtsgeschäfts durch OOO-Gesellschafter
Die OOO-Satzung sieht vor, dass bestimmte Geschäfte der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. Die Gesellschafter dieser OOO werden bei der Anfechtung des zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäfts keinen Erfolg haben, wenn sie sich darauf berufen, die Zustimmung sei nicht eingeholt worden und der Kontrahent der OOO habe die Erforderlichkeit einer solchen gewusst bzw. hätte wissen müssen, da die Satzung der OOO freizugänglich ist.
Allein das Hochladen der OOO-Satzung ins Internet begründet nicht die Vermutung, dass die Geschäftspartner der OOO vom Satzungsinhalt Kenntnis haben (keine fingierte Kenntnisnahme).
6. Im Falle eines Konflikts zwischen zwei Gesellschaftern mit gleichen Gesellschaftsanteilen müssen Gerichte den Streit entscheiden
Gerichte dürfen Klage und Gegenklage gerichtet auf den Ausschluss des jeweils anderen Gesellschafters aus der OOO nicht mit der Begründung abweisen, es bestehe ein Konflikt zwischen Gesellschafterm und beide würden über jeweils 50 % Anteile am Stammkapital verfügen und gegeneinander klagen.
Vielmehr müssen sich die Gerichte mit den im Raum stehenden Behauptungen beider Parteien über die die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft behindernden Handlungen eines der Gesellschafter auseinandersetzen und den Streit entscheiden.
7. Ausschluss des Hauptanteilseigners aus der OOO
Der Umstand, dass ein Gesellschafter (oder mehrere zusammen) mehr als 50 % Anteile am Stammkapital besitzt, schließt seinen Ausschluss aus der Gesellschaft nicht aus.
Die Kläger – im Regelfall andere Gesellschafter der OOO – müssen nur nachweisen, dass die OOO imstande ist, selbst nach Auszahlung des Anteils dem ausgeschlossenen Gesellschafter ihre Geschäftstätigkeit weiterzuführen.
Der Gesellschafter, der durch seine Handlungen oder durch sein Unterlassen der OOO einen Schaden zugefügt hat, kann aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schaden auch ohne Ausschluss dieses Gesellschafters beseitigt werden kann.
Quelle: http://www.consultant.ru/document/cons_doc_LAW_341476/
© Maria Mikhaylova, LL.M.
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