Coronavirus als höhere Gewalt und Störung der Geschäftsgrundlage: Was sagen russische Gerichte dazu?
Der Oberste Gerichtshof Russlands hat in seiner Rechtsprechungsübersicht Erläuterungen zu Corona-Fragen erlassen, die mehr Klarheit für die Rechtsanwendung schaffen.
I. Coronavirus und seine Bekämpfung – höhere Gewalt?
Die Ausbreitung des Coronavirus per se sei kein universeller Fall der höheren Gewalt.
Ob in einem bestimmten Rechtsverhältnis die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung einen Force Majeure-Fall darstellen, hängt von konkreten Umständen des Einzelfalls ab.
Kein Geld für die Erbringung der Gegenleistung
Hat der Kontrahent nicht genug oder kein Geld zur Erfüllung seiner Zahlungspflicht aus dem jeweiligen Vertrag, gilt es grundsätzlich nicht als Force Majeure-Umstand.
Es ist jedoch als höhere Gewalt anzusehen, wenn die Geldknappheit (Liquiditätsengpass) eben durch die einschränkenden staatlichen Maßnahmen verursacht wurde. Wie zum Beispiel durch das Verbot, eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, oder durch die Einführung des Selbstisolationsregimes.
In einem solchen Fall ist die (zumindest zeitweise) Haftungsbefreiung zulässig, wenn ein durchschnittlicher ordentlicher Geschäftsmann, der eine Tätigkeit vergleichbar mit der des Schuldners ausführt, die durch die Corona-Maßnahmen verursachten Nachteile hätte nicht vermeiden können.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Gastronomie-Branche, in der jegliche Lokale für die Zeit der Corona-Krise schließen mussten.
II. Corona-Pandemie als Störung der Geschäftsgrundlage?
Die Vertragsparteien können im Falle einer schwerwiegenden Veränderung der Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, die Anpassung oder Auflösung des Vertrages verlangen.
Schwerwiegend sind solche Veränderungen, bei denen die Parteien, hätten sie diese Veränderungen vorausgesehen, den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten.
Entscheidend ist dabei, was die Parteien vertraglich vereinbart haben und was dem Wesen des Vertrags zu entnehmen ist.
In jedem Einzelfall muss also geprüft werden, ob die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf die konkrete Vertragsbeziehung eine schwerwiegende Veränderung der Umstände darstellen.
Die Anpassung des Vertrags auf Antrag einer der Vertragsparteien ist dabei nur dann möglich, wenn
- die Interessen der Allgemeinheit der Auflösung des Vertrags entgegenstehen
- der voraussichtliche Schaden, welcher die Auflösung des Vertrags verursachen würde, den Aufwand der Vertragserfüllung nach den angepassten Bedingungen übersteigt.
oder
Es handelt sich hierbei um die Rechtsprechungsübersicht des Obersten Gerichtshofs Russlands zur Rechtsanwendung in den Zeiten der Corona-Krise, in Kraft gesetzt durch das Präsidium des Obersten Gerichtshofs am 21. April 2020.
© Maria Mikhaylova, LL.M.
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