Außenhandel mit Russland: Wir erläutern, was INCOTERMs sind
INCOTERMs (International Commercial Terms) sind „Internationale Regeln für die Auslegung der handelsüblichen Vertragsformeln”. Diese handelsüblichen Vertragsformeln werden seit dem Jahr 1936 von der Pariser Internationalen Handelskammer (ICC) herausgegeben. Die INCOTERMs systematisieren Vertragspraktiken, welche sich in bestimmten Situationen von internationalen Lieferungen immer wieder wiederholen. Der Wiederholungscharakter macht diese Praktiken zu handelsüblichen Vorgehensweisen. In komprimierter Form werden sie zur Anwendung empfohlen und ersparen den Kaufleuten die Berührung mit komplizierten rechtlichen Materien.
Das Wesentliche
Die handelsüblichen Vertragsformeln werden also zu gängigen Lieferbedingungen. Entscheidend ist für den Aufbau von allen Lieferbedingungen der INCOTERMs der Übergabepunkt.
Der Lieferweg der jeweiligen Ware wird durch den vereinbarten Übergabepunkt in zwei Strecken geteilt. Für die erste Strecke bis zum Übergabepunkt ist der Verkäufer, danach - für die zweite Strecke - ist der Käufer zuständig.
Beginnend bei EXW steigen also bei jeder weiteren Klausel die Pflichten des Verkäufers und reduzieren sich diejenigen des Käufers. Dementsprechend werden die INCOTERMs in vier Gruppen aufgeteilt: E-, F-, C- und D-Klauseln.
Die INCOTERMs legen fest:
- welche Transportkosten der Verkäufer und welche der Käufer zu tragen hat;
- wer im Falle eines Verlustes oder einer Beschädigung der Ware das Verletzungsrisiko trägt (Gefahrenübergang);
- welche Sorgfaltspflichten jeder Vertragsteil für seine Wegstrecke übernehmen muss.
Daneben wird geregelt:
- wer die Warendokumente beschaffen muss, wer dafür die Kosten trägt und wer einen eventuell entstehenden Zoll zu zahlen hat;
- wer welche Transportdokumente beschaffen muss und wer dafür die Kosten zu tragen hat;
- wer für wen die Ware versichern und wer dafür die Kosten übernehmen muss;
- wer den anderen Partner, wann und worüber informieren muss;
- wer die Warenprüfung durchführen und wer die Kosten dafür übernehmen muss;
- wie die Ware zu verpacken ist und wer die Verpackung zahlen muss.
Die INCOTERMs geben jedoch keine Auskunft darüber, wann und wo das Eigentum an der Ware von dem Verkäufer auf den Käufer übergeht. Zahlungsbedingungen und Gerichtsstand werden auch nicht geregelt. Die Parteien müssen sich also separat darum kümmern, diese Aspekte optimal geregelt zu haben.
Die einzelnen Klauseln
1. E-Gruppe
Bei der einzigen Klausel der E-Gruppe gehen Kosten und Risiken bereits ab der Bereitstellung der Ware am benannten Ort auf den Käufer über.
EXW - Ex Works / Ab Werk ... benannter Ort
Sie stellt die Mindestlast für den Verkäufer dar. Der Verkäufer muss die Ware lediglich am benannten Ort zur Abholung bereitstellen. Dem Verkäufer entstehen also keine Transportkosten. Die Ware muss nicht verladen oder zur Ausfuhr frei gemacht werden, sondern lediglich verpackt und gekennzeichnet sein.
Mit der kompletten Lastenbefreiung mag die EXW-Lieferung auf den ersten Blick eine bequeme Lösung für den deutschen Lieferanten darstellen. Allerdings ist der ausländische Käufer oft nicht in der Lage, erforderliche Exportvorbereitungen in Deutschland durchzuführen, was die Lieferung verhindern kann.
Nicht gesichert ist es auch, dass der deutsche Lieferant einen Ausfuhrnachweis erhält. Dies bringt das Risiko der Nachberechnung der Umsatzsteuer mit sich, mit der Folge, dass der erwirtschaftete Ertrag hierzulande um den Umsatzsteuersatz geschmälert wird. Anzuraten ist in diesem Zusammenhang, mit dem Spediteur bzw. mit dem russischen Käufer die Übergabe eines zuvor bestimmten Ausfuhrnachweises an das deutsche Unternehmen zu vereinbaren.
2. F-Gruppe
Innerhalb der F-Gruppe trägt der Käufer die Kosten des Haupttransports. Die Gefahr geht mit der Übergabe der Ware an den Frachtführer des Haupttransportes auf den Käufer über.
FCA - Free Carrier / Frei Frachtführer ... benannter Übergabeort
Der Verkäufer hat die versandbereite Ware an den vom Käufer gewählten Spediteur an einem vereinbarten Ort auszuliefern. Dies kann z.B. ein bestimmter Hafen oder ein Drehkreuz des Spediteurs sein.
Der Verkäufer sorgt auf eigene Kosten für Verpackung, Warenprüfung und Freimachung der Ware zur Ausfuhr.
Abhängig vom ausgewählten Ort der Lieferung muss der Verkäufer außerdem beladen. Für den Haupttransport, die Durchfuhr und die Einfuhr ist der Käufer verantwortlich.
Verteilung der Kosten und Risiken
Der Verkäufer trägt alle Kosten und Risiken bis zur Verladung der Ware auf den vereinbarten Frachtführer. Danach trägt der Käufer die mit der Lieferung verbunden Kosten und Risiken.
Gut praktikabel ist bei FCA, dass Exportzollformalitäten durch den Lieferanten erledigt werden, während sich für die Zollabfertigung im Bestimmungsland der Käufer kümmert. Jede Partei bewegt sich im bekannten Rechtsraum und hat einen besseren Zugang zu Verwaltungspraktiken.
Die Klausel ist für alle Transportarten verwendbar. Sie eignet sich sehr gut für den Container-Transport.
Für deutsch-russische Lieferungen ist FCA gut geeignet.
FAS - Free Alongside Ship / Frei Längsseite Schiff ... benannter Verschiffungshafen
Der Verkäufer muss die Ware auf eigene Kosten verpacken, zu dem vom Käufer benannten Verschiffungshafen bringen und zur Ausfuhr freimachen. Die Lieferung ist erfolgt, wenn die Ware längsseits des Schiffs im benannten Verschiffungshafen gebracht ist.
Diese Klausel ist nur für den See- oder Binnenschiffstransport verwendbar.
FOB - Free On Board / Frei an Bord ... benannter Verschiffungshafen
Free on Board bedeutet, dass der Verkäufer seiner Lieferverpflichtung erfüllt, wenn er die Ware an Bord des Schiffes im benannten Verschiffungshafen liefert. Der Verkäufer muss die Ware auf eigene Kosten verpacken und die Ware zur Ausfuhr freimachen.
Diese Klausel ist ebenfalls nur für den See- oder Binnenschiffstransport verwendbar. Sie eignet sich jedoch nicht, wenn die Ware dem Frachtführer übergeben wird, bevor sie sich an Bord des Schiffes befindet.
3. C-Gruppe
Als gemeinsames Merkmal der C-Gruppe hat der Verkäufer zwar den Haupttransport auf eigene Kosten zu tragen, die Gefahr geht jedoch bereits mit der Übergabe der Ware an den Frachtführer des Haupttransports auf den Käufer über.
CFR - Cost and Freight / Kosten und Fracht ... benannter Bestimmungshafen
Der Verkäufer liefert, wenn die Ware an Bord des Schiffes gebracht ist. Er trägt zudem die Kosten und die Fracht, die erforderlich sind, um die Ware zum benannten Bestimmungshafen zu befördern. Der Verkäufer hat außerdem die Ware auf eigene Kosten zu verpacken und zur Ausfuhr freizumachen.
Diese Klausel ist nur für den See- oder Binnenschiffstransport verwendbar. Sie eignet sich nicht für den Containertransport, bei dem die Übergabe an den Frachtführer schon stattfindet bevor sich die Ware auf dem Schiff befindet. In diesem Fall ist CPT anzuwenden.
CIF - Cost, Insurance and Freight / Kosten, Versicherung und Fracht ... benannter Bestimmungshafen
Der Verkäufer liefert, wenn die Ware an Bord des Schiffes gebracht ist. Der Verkäufer trägt außerdem die Kosten und die Fracht, die erforderlich sind, um die Ware zum benannten Bestimmungshafen zu befördern. Zusätzlich hat er den Transportversicherungsvertrag - allerdings nur mit Mindestdeckung - auf eigene Kosten abzuschließen. Der Verkäufer hat zudem die Ware auf eigene Kosten zu verpacken und zur Ausfuhr freizumachen.
Auch diese Klausel ist nur für den See- oder Binnenschiffstransport verwendbar und für den Container-Transport in der Regel nicht geeignet. Für letzteres ist CIP anzuwenden.
CPT - Carriage Paid To / Frachtfrei ... benannter Bestimmungsort
Der Verkäufer muss die Ware dem von ihm bestimmten Frachtführer liefern. Zusätzlich hat er die Frachtkosten zu übernehmen, die erforderlich sind, um die Ware zum benannten Bestimmungsort zu befördern. Weiter hat er die Ware zu verpacken und zur Ausfuhr freizumachen.
Die Klausel ist für alle Transportarten anwendbar.
CIP - Carriage, Insurance Paid To / Frachtfrei versichert ... benannter Bestimmungsort
Der Verkäufer muss die Ware dem von ihm bestimmtem Frachtführer liefern. Zusätzlich hat er die Frachtkosten zu übernehmen, die erforderlich sind, um die Ware zum benannten Bestimmungsort zu befördern. Außerdem hat er den Transportversicherungsvertrag (wieder nur mit Mindestdeckung) auf eigene Kosten abzuschließen. Außerdem ist der Verkäufer zur Verpackung und zur Freimachung der Ausfuhr verpflichtet.
Die Klausel ist ebenfalls für alle Transportarten anwendbar.
4. D-Gruppe
Bei den D-Klauseln trägt der Verkäufer alle Kosten und Risiken bis zum Eintreffen der Ware an dem vereinbarten Bestimmungsort.
DAP - Delivered At Point / Geliefert ... benannter Ort
Der Verkäufer muss dem Käufer die Ware auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit am Bestimmungsort zur Verfügung stellen. Er hat die Ware zur Ausfuhr freizumachen. Er ist aber nicht verpflichtet, bei der Einfuhr der Ware die Zollabfertigung vorzunehmen und Importzölle zu zahlen.
Die Klausel ist für alle Transportarten anwendbar und eignet sich insbesondere auch dann, wenn mehrere Transportmittel innerhalb eines Warentransports zum Einsatz kommen.
DAT - Delivered At Terminal / Geliefert Terminal ...benanntes Terminal im Bestimmungshafen oder am Bestimmungsort
Geliefert Terminal bedeutet, dass der Verkäufer seine Verpflichtung erfüllt, sobald die Ware von dem ankommenden Beförderungsmittel entladen wurde und dem Käufer an dem benannten Terminal im Bestimmungshafen oder am Bestimmungsort zur Verfügung gestellt wird. Als Terminal ist jeder beliebige geschlossene oder offene Ort zu verstehen, wie z.B. ein Lager, ein Containerhof, ein Cargo-Terminal oder ein Kai.
Der Verkäufer hat die Ware zur Ausfuhr freizumachen. Er ist jedoch nicht verpflichtet, die Ware zur Einfuhr freizumachen, er zahlt keine Zölle. Der Verkäufer hat alle Kosten und Gefahren der Beförderung der Ware bis zum benannten Terminal im Bestimmungshafen oder am Bestimmungsort einschließlich der Entladekosten zu tragen.
Die Klausel ist für alle Transportarten anwendbar und eignet sich auch, wenn mehrere Transportmittel innerhalb eines Warentransports zum Einsatz kommen.
DDP - Delivered Duty Paid / Geliefert verzollt ... benannter Bestimmungsort
DDP beinhaltet die Maximalverpflichtung des Verkäufers. Der Verkäufer muss die Ware zur Ausfuhr und auch zur Einfuhr freimachen und am benannten Bestimmungsort auf dem ankommenden Beförderungsmittel unentladen liefern. Der Verkäufer trägt alle Kosten und auch die Gefahr bis zum Eintreffen der Ware an dem benannten Bestimmungsort.
Besonderheiten bei Lieferungen nach Russland
Das russische Recht lässt die Vereinbarung von INCOTERMs ohne Weiteres zu. Die rechtliche Grundlage hierzu ist Art. 1211 P. 6 ZGB RF.
Von der Handels- und Industriekammer Russlands wurden die INCOTERMs als Handelsbrauch anerkannt.
Die Wahl einer oder anderen INCOTERMs-Klausel wirkt sich auf die Besteuerung mit MwSt und Gewinnsteuer in Russland aus. Diese Aspekte sind deswegen noch vor der Aufnahme der gewählten Lieferbasis in den Liefervertrag zu klären. Agiert Ihre russische Tochtergesellschaft als Exporteur, empfehlen wir Ihnen, die steuerlichen Auswirkungen des Liefervertrags frühzeitig zu klären.
Bei Lieferungen nach Russland ist die DDP-Klausel ungeeignet.
© Dr. Olga Kylina
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